Faschingrenner

St. Peter am Kammersberg (Murau, Steiermark, Österreich)

Brauchtum vor Ort kennenzulernen, war der Beweggrund um nach Schöder und St. Peter am Kammersberg zu fahren. Der Vater wurde 1934 in Murau geboren, verbrachte seine Kindheit in Schöder und starb 1995 in Zeltweg.

Faschingrenner, St. Peter am Kammersberg, 12.2.2024
Faschingrenner, St. Peter am Kammersberg, 12.2.2024

Am Rosenmontag, 12. Februar 2024 um 4 Uhr in der Pension Bischof, Schöderberg, wach geworden. Nach 5 Uhr Fahrt zum Gasthof Trattner, St. Peter am Kammersberg, wo sich die teilnehmenden Vereine um 5.30 Uhr sammelten. 2011 wurde dieser Brauch in das immaterielle UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen. Schöder und St. Peters am Kammersberg wechseln sich mit der Austragung dieses Brauches ab.

Die Truppe besteht aus 39 "Schönen", durchtrainierte Jugendliche, Männer, üben vor dem Gasthof das "Kranzeln". Bekleidet sind sie mit Lederhosen, darunter weiße lange Unterhosen, weißen Hemden und selbstgebastelte Kappen in unterschiedlichen Längen, die sie auf dem Kopf tragen. Der "WegAuskehrer", roter Pullover, Lederhose, rote Stutzen, Fellmütze und Besen und der "HühnerGreifer" im Federkleid mit Habichtskopf, führen die Gruppe an. "Merkt Euch, Euren Vordermann, die Formierung bleibt bis 19 Uhr erhalten." Weitere tonangebende Mitglieder beim Faschingrennen, die "Vetteln" (schon früh mit der pejorativen Bedeutung im 15. Jahrhundert entlehnt von lateinisch vetula "Alte" zu vetulus "ältlich" von vetus "alt") angeführt vom Bauern und weiteren gewerbetreibenden Handwerken. Die Vertreter der Zünfte treten an mich an verschiedenen Orten immer wieder mit dem Spruch "Mach' ma a G'schäft" heran, darauf hat mich eine mit diesem Brauch vertraute Freundin hingewiesen, und ich habe Kleingeld parat. Die ganze Truppe besucht den ganzen Tag  Höfe und Häuser. Um 15 Uhr wird auf einem dafür mit Schnee präparierten Platz gekämpft. Der Platz war umkreist von ZuschauerINNEn, ich bin nicht weiter vorgedrungen, um die - auch - von einer Drohne beobachteten Vorgänge zu sehen. Seit den Angriffskriegen Russlands - von denen meine FreundINNeN täglich aus der Ukraine berichten, bin ich empfindlich geworden. Das wird mir an diesem Tag, wo der Alkohol fließt, der Schmäh rennt, noch mehr als an anderen Tagen bewusst. Der für alle Teilnehmer lange Tag endet um 19 Uhr mit einem "Kranlz" auf dem Platz vor dem Marktcafé.

In Gesprächen höre ich, dass dieser Brauch ein Höhepunkt im Dorfgeschehen ist, sonst wäre hier "nicht viel los". 

Alle Teilnehmer sind Männer, warum das so ist, wird auf "Brauchtum" zurückgeführt. Mir wird klar, warum sich der Vater, der Erstgeborene, sich in diesem strengen Männerregime nicht wohlgefühlt hat, er hat das Dorf - vor der Lehre - verlassen. In diesem Sinne bin ich in seine Fußstapfen getreten, ich bin aus dem engen Rahmen des Dorflebens - durch Ortsveränderungen und ein selbstbestimmtes Leben - herausgetreten.


Text und Fotos: Milena Findeis, Prag 18.2.2024