Jahreswechsel 2022/23: Grüne Wiesen, Prag meldet Temperaturen über 18 Grad im Schatten. Fliegen, Bienen, Käfer, Wanzen gesichtet. 

1.1.2023 Kaffeepause auf Balkonien. Die Gedanken wandern zur Familie in Österreich, Freundinnen und Freunde in der Ukraine.

3.1.203 Die Struktur der Blätter passt sich den Temperaturen an. Zerknittert waren sie Mitte Dezember bei Minusgraden, die Plusgrade glätten sie.

12. Nach grauen Tagen mit Nieselregen ein sonniger Vormittag, + 8 Grad. Die Futterstellen für die Vögel aufgefüllt, dabei entdecke ich die Blüte eines Stiefmütterchens. Ein Schritt weiter im Projekt, den Balkon so zu bepflanzen, dass nicht jedes Jahr neue Pflanzen zu kaufen sind. Da ich den ganzen Herbst in Zeltweg verbrachte, J. die Pflanzen vor der ersten Frostnacht zum Überwintern ins Haus brachte, habe ich den Überblick verloren, doch gerade das macht das Experiment spannend.

14. In dem großen Topf mit der Birke spitzeln die Blätter von Tulpen und Krokusse. Im Jänner noch keine Minustemperaturen. Ich hole aus der Abstellkiste auf dem Balkon Töpfe hervor, sie werden gereinigt, einige werden für die Samen benötigt.  Im Gegensatz zum letzten Winter bis jetzt noch keine blühende Nelke entdeckt.

16. Die männliche Blüten hängen schon gelbgrün von den Trieben der Haselnuss herab.  Darüber freuen sich nicht nur weibliche Haselnuss Blüten, sondern auch Bienen und andere Insekten. Für sie stellen die Pollen eine der ersten Nahrungsquellen des Jahres dar. An den sonnigen Nachmittagen beobachte ich Fliegen, Wanzen, Bienen und Käfer.

Februar 2023

Der Austausch der Fenster im Badezimmer und in der Küche verwandelte das Dachgeschoss in eine Baustelle. Kalte, frostige Nächte und Tage  sind geeignet um sich vom Staub zu trennen: Aufräumarbeiten.
Mitte Februar geht es nach Zeltweg, Kainbach, Graz. Kleine Wanderungen, in der dritten Woche frühlingshafte Temperaturen. Bei der Rückkehr nach Prag blühen auf dem Balkon Krokusse.  Zwei Töpfe zersprungen. Die Temperaturen wechseln innerhalb von Stunden über 15 Grad. Die Glieder spüren es, mitunter auch der Kreislauf.

März 2023

Die Temperaturen schwanken zwischen sommerlich (über 20 Grad) bis winterlich (-10 Grad). Auf Balkonien blättert die junge Birke grün. Auf der Gartenwiese den ersten Röhrlsalat gestochen. Die letzte Märzwoche wieder in Zeltweg verbracht. 
Es jährte sich am 24. März der Todestag meines Stiefvaters. An diesem mit der 84jährigen Mama sein Grab in Lind besucht. Mit Mama per Bahn nach Graz gefahren, um ihren 83jährigen bettlägrigen Bruder zu besuchen. Im letzten Jahr musste Mama noch den Garten in Zeltweg bewirtschaften, jetzt hat sie Topfpflanzen auf dem Balkon stehen. In Klagenfurt und Prag Lebensmenschen von Angesicht zu Angesicht getroffen. Mit der Aussaat von frostempfindlichen Pflanzen gewartet, in den Jahren zuvor haben starke Nachfröste vieles erfrieren lassen. Drinnen enwickeln sich die im Dezember angelegten Zitronen- und Apfelkerne.

April

Sonnenaufgang vor 6 Uhr. Sonne zeigt sich selten. Graue Wolken und immer wieder Regen. Kühl, oft ein eisiger Wind. Die Geranien müssen zwei Mal umgetopft werden, da die Erde schlammig wurde, zu nass. Die Margeriten aus dem letzten Jahr entwickeln sich gut, werden mit einem Gemisch aus Öl und Wasser gegen Läuse behandelt.

Die Setzlinge wachsen langsam. Die vorletzte Woche im April wieder in Zeltweg verbracht. Frühlingsputz dort und vor Ort. Die Bartnelken aus dem letzten Jahr beginnen zu blühen. Der Preis für Setzlinge hat sich gegenüber 2020 verdreifacht. Einige Petunien werden auf dem Bauernmarkt gekauft. Alles andere hat überwintert bzw. wurde ausgesät. 

Mai

DIE GROSSEN PHILOSOPHISCHEN FRAGEN MÜNDEN IM VORGARTEN - Timo Reuter:  "Wer der Natur also wirklich näherkommen und die Welt im Kleinen verbessern möchte, sollte der Natur ihren Lauf lassen. Das heißt: Die naturnahe Gärtnerin muss anachronistische Tugenden lernen."
Geduld, Sanftmut, Ausdauer lehrt mich der Umgang mit Pflanzen und Menschen, jenseits von 80. Vom 24.5. bis 5.6. viel Sonne und die Pflanzen schossen von ihren Strahlen gezogen in die Höhe. Während dieser Zeit war ich in der Steiermark, der Balkon wurde von einer Freundin gepflegt. Danke!

Juni

Ein randloser Übergang vom Mai in den Juni. Gnas, Graz, Zeltweg, Prag, Zeltweg, Prag.  Wasserknappheit, Waldbrände und Staus auf den Autobahnen. Viele wollen in den Urlaub, leben ohne Gedanken an Pandemie, Krieg & Umwelt. Andere wirft die Inflation aus der Bahn, der Konsum ist teurer geworden. In Prag ist der Massentourismus zurückgekehrt. Obdachlosigkeit nimmt weiter zu. Die Pflanzen auf dem Balkon gedeihen, der Oleander beginnt Mitte Juni kräftig zu blühen. Die Bartnelken und Rhododendron sind am Abblühen. Erste Erdbeeren geerntet. Die Bahnfahrt nach Zeltweg am Monatsende für eine Woche ist Routine geworden. Der Dschungel auf Balkonien ist zu hegen.

Juli

Hitze bis zur Monatsmitte mit Tropennächten. Bäume werfen Blätter ab, der Aprilfrost hat die Marillenernte vernichtet. Kirschen, Weichseln, Ribiseln sind kleiner wegen der Trockenheit. Gegen Monatsende starke Winde mit orkanstarken Böen (das Zelt der Nachbarn fliegt über den Zaun), Regen. In Bösenort entwurzelt der Orkan zwei Bäume auf dem Hof des Freundes. Teile der Steiermark und Kärntens werden von schweren Unwetter heimgesucht. Am Monatsende wieder Tage in Zeltweg, danach drei Tage am Pressegger See, größtenteils verregnet. Todesnachrichten aus der Ukraine, in Deutschland gewinnt die AfD, in Österreich die FPÖ an Stimmenzuwachs. Wie dagegensteuern? Zuweilen in die Stille einsteigen.

August(in)

Dramatische Wolkenbilder, mit und ohne auf- und untergehender Sonne. Stürme. Starkregen. Hitzetage und Tropennächte. Verspätete und ausgefallene Züge bei der monatlichen Bahnfahrt Prag / Zeltweg und zurück.

Einsammeln von Regenwasser, Blütensamen und zwischen den vertrockneten Blütenblättern den 66er eingemottet. Beim Betrachten der blühenden Rosenstöcke keimt Freude, mit jeder Pflanze wächst Zuversicht in diesem rauer werdenden Zeitgeflecht.

September

Anhalten der Sommertemperaturen, tagsüber klettert das Thermometer über 30 Grad. Die längeren Nächte kühlen.  Das Farbenspiel von Morgen- und Abendhimmel in der Prager Gartenstadt erinnert an die Dramen der Weltgeschichte.

Sammle, trockne Samen und ordne diese in Papier gewickelt in einer Kiste fürs nächste Jahr. Das Festhalten an einer Zukunftsperspektive in diesem von Naturkatastrophen, Krisen und Kriegen gebeutelten Zeitfenster. 

Oktober & November

Bis 21. November laue Tages- und Nachttemperaturen. Es hat immer wieder geregnet.  Bahnreisen innerhalb von Tschechien und in Österreich: Literatur motiviert. Für den 22. November ist nächtens Frost angesagt, die frostempfindlichen Mehrjährigen ins Treppenhaus übersiedelt. Den Balkon winterfest gemacht, während der letzten stürmischen Nacht wurde die Birke - bis auf ein Blatt - entblättert. Meisen und Co. bedienen sich and den Blumensamen.  Knollen der Sommerblütler trocken gelegnet, Frühjahrszwiebeln in verschiedene Töpfe gesetzt. 10 Jahre Maidan. Die Fenster im Arbeitszimmer wieder mit Polstern versehen, den Fußboden mit warmen Wollteppichen bedeckt. Die Uhren wieder um eine Stunde zurückgedreht. Daran kann ich mich anpassen, nicht an die Hetze gegen menschliche Werte, die Verrohung der Sprache, den Gewalttaten.

Dezember

Ende November Rückkehr von Zeltweg nach Prag. In Zeltweg hatte es geschneit. Anfang Dezember fällt Schnee in Prag. In der Gartenstadt über 30 Zentimeter. Für einige Tage ist es weiß, dann folgt Regen, warmes Wetter. 

Anstelle von Geschenken spende ich für Obdachlose, die Ukraine, die Opfer des Amoklaufes in Prag am 21. Dezember, unterstütze die eine oder andere Bekannte. Der Lokführer hat vom 24.12. 8 Uhr morgens bis 25.12. mittags Dienst. Zu Silvester fährt die Müllabfuhr Sonderschichten, trotz Verbots werden vielerorts Böller und Feuerwerke in die Luft geknallt.