Notizbuch 1978
Peter Handke, Notizbuch, 31. August 1978 - 18. Oktober 1978
73 Kolke sind (durch schwere Gesteinsbrocken nach Wasserfällen vor allem; Gerölle werden am Flußboden rollend/gleitend/hüpfend transportiert, durch die Turbulenz des Wassers; Abtragsleistung eines Wasserlaufs steigt mit der Ausbildung eines wechselnden turbulenten Strömungsbildes; "Flußverwilderung" (der Fluß akkumuliert), gab es auch eine Ablagerung flußaufwärts?; geringes Gefälle und starke Strömung (wegen starker Wasserführung): [= Yukon]; manchmal: jede andere Haltung als die in-sich-Krümmung wäre bloß angeberisch; nicht mehr aus den Kleidern kommen wollen; S.'s Abschiednehmen vom Strom (etc;F.-E. [ Form-Element]); immer wieder, wenn er gehend sich nach den dem roten Himmelsstreifen umschaut, hält er den Streifen nicht für den Himmel, nicht einmal für ein Licht, einfach nur für einen Streifen (am übrigen Himmel ist schon völlige Nacht, nur dieser Streifen scheint wie von der Zeit vergessen; in der Nacht stehend, spricht er ganz selbstverständlich mit einem Indianer, der vorhergeht und dann auch stehen bleibt, obwohl er den I. nicht kennt und auch sein Gesicht nicht sehen kann (F-E [ Form-Element]); der Himmel will sich nicht schließen; Str. [ [ Straße] ], wie eine schwach beleuchtete Schuppenwand: wie die letzte Sonne in den Raum unter das Haus schien, diesen Raum rötlich erleuchtend; von sich selber kein Bild mehr habend, kann er auch niemand anderen sehen. S. [ [ Sorger] ], ohne Arbeit, findet sich nicht mehr im Eins-nach-dem andern, wo seine Identifikation war; die Baumwollsträucher, deren Wolle heute den ganzen Tag durch die Lüfte schwebte (es waren die Lüfte); ⋙the winds of Pleistocene times⋘; Als fiele er doch, fern von Europa einschlafend, jeweils in ein sehr tiefes Loch; als sei es nie ein Einschlafen, sondern ein Weggesaugtwerden und schließlich Wegstürzen (unaufhörliche Alpträume); deswegen wehrt sich S. gegen das Einschlafen hier; ist sich dabei immer bewußt, daß er schläft; und und hat so nie das Gefühl zu schlafen; er ist ist weg, entfernt von ETWAS; das im Schlaf magnetisch wird
S.38, 39
Das Zeichnen, das Malen leitet einen Wendepunkt im Werk von Peter Handke ein beginnend mit der "Die Lehre der Sainte-Victoire", 1980, "Langsame Heimkehr", 1979, "Kindergeschichte", 1981, "Über die Dörfer", 1981. Paul Cézanne bezeichnet er in "Die Lehre der Sainte-Victoire", als "Menschheitslehrer der Jetztzeit". Ich lerne im Frühjahr 1981 über Peter Handke den damals in Salzburg lebenden Maler Lucas Suppin kennen, dessen Abbild ich zwischen den Zeilen im "Chinese des Schmerzes", 1983, wiedererkenne. Handke Online "Überwindung der Schreibkrise: Langsame Heimkehr (1979). "Langsame Heimkehr", gelesen von Peter Handke wurde von Ö1 im Rundfunk gesendet, Teile hiervon wurden von mir auf Cassetten aufgenommen.
Augnerin
Peter Handke, Notizbuch
31. August 1978 - 18. Oktober 1978, Insel Bücherei Nr. 1367
Erste Auflage 2015